Es war einmal vor 36 ½ Jahren, da ging eine junge Frau mit ihrem Kind zum Arzt.“ Kein modernes Märchen, sondern der Beginn einer wunderbaren Arbeitsbeziehung und Lebensgeschichte einer Küsterin mit ihren Gemeinden und den Gemeinden mit ihrer Küsterin.
Pfrn. Mara Schwäbe hatte diese Worte an den Anfang ihrer Predigt, die auch zugleich die Würdigung der mehrere Jahrzehnte währenden „Verschmelzung“ der Küsterin Angelika Kilsch mit ihren Gemeinden in Altena ist. Denn damals beim Arztbesuch erfuhr Frau Kilsch von der freien Küsterstelle, auf die sie sich direkt bewarb und auch genommen wurde. Und nun waren aus allen Bezirken der ev. Kirche in Altena die Menschen zur Lutherkirche geströmt, um von ihrer Küsterin Abschied zu nehmen.
Die Wanderküsterin
In den mehr als dreieinhalb Jahrzehnten ist sie zu so etwas wie die Wanderküsterin in den Altenaer Kirchengemeinden geworden. Begonnen hat alles an der Melanchton Kirche am Tiergarten. Doch dann kam die große Umstrukturierung oder vielleicht besser gesagt der Niedergang der Stadt und der Kirchengemeinden. Schließungen von Gebäuden und Zusammenlegungen von Bezirken waren die Folge. Nach Melanchton, wurden u.a. die Bezirke Rahmede mit dem Gemeindehaus am Drescheider Berg, die Kirche im Mühlendorf, Orte ihrer Aufgaben, bis dann die „neue Mitte“, die Lutherkirche und das neu gestaltete Gemeindehaus, als Zentrum der Gemeinde ihr Hauptarbeitsplatz wurde.
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.
Es sind Verse der Lesung aus Röm. 12 , die Zuspruch und Anspruch an eine Küsterin aufgreifen und sie für den Berufsalltag beschreiben. Das bringt auch das Grußwort der Gemeinde, formuliert von Carsten Menzel als Mitglied des Bevollmächtigten Ausschusses, zum Ausdruck, das aber wegen seiner Erkrankung von Pfrn. Gudrun Vogel vorgetragen wurde: „In diesen drei Jahrzehnten hast Du auch alle Veränderungen unserer KG mitgemacht, ertragen und vielleicht auch durchlitten, aber Du hast sie auch mitgestaltet. Den Weg hin zur „Neuen, alten Mitte“.
Heute, 36 ½ Jahre später verlässt sie ihre Wirkungsstätten wieder. Und mit einem Schmunzeln und Leuchten in den Augen sagt sie selber: Ich wohne direkt neben an. Und wie das bei Küsterinnen eben so ist, die vertragliche Stundenzahl und Arbeitszeit wird da nicht immer so genau genommen. Da heißt es oft: Kannst Du mal eben kommen?“
Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft.
Das scheint wohl auch immer geklappt zu haben, denn egal wen man quer durch die versammelte Gemeinde befragt hört man Sätze wie diese: „Angelika ist die Seele unserer Gemeinde. Zusammen mit ihr haben wir jeden Mist gemacht.“ „Sie hatte für jedes Problem ein Ohr. Ganz oft konnte sie es lindern oder sogar lösen.“ Eine ehemalige Mitarbeiterin aus dem Gemeindebüro merkt an: „Wenn ich mal richtig Luft raus lassen musste oder Hilfe brauchte, bin ich natürlich zu Angelika gegangen.“
Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.
Die den Menschen zugewandte, freundliche, offene und fröhliche und darin seelsorgerliche Seite ist ein Glücksfall in der Person Angelika Kilsch. Und die ist verschmolzen mit ihrer eigentlichen Aufgabe, das Küsterin sein. Heute wurde es in Predigt und Grußworten noch einmal ganz deutlich. Es ist ein Allroundberuf, mindestens wie eine Facility Managerin mit zusätzlicher Spezialausbildung in theologischem, liturgischem, Grundwissen und einer Portion Event- und Konfliktmanagerin.



Eine Managerin auf vielen Ebenen
Und das bedeutet: Die Kirche, egal für welche Art von Gottesdienst, entsprechend herrichten. Sind genügend Einzelkelche da und der Altar dem Abendmahl gerecht vorbereitet? Stehen genügend Kabeltrommeln bereit für den Jugendgottesdienst? Und immer darauf achten, dass die richtigen Antependien am Altar und Lesepult hängen, das Taufwasser richtig temperiert und die Kirche nicht zu kalt ist. Da sein und die Vorbereitungen der kirchlichen Trauungen begleiten. Liedzettel vorbereitet haben und ggf. verteilen. Natürlich den Kaffee fürs Kirchkaffee mit den Keksen oder für die unterschiedlichsten Gemeindegruppen und das Presbyterium die Räumlichkeiten und das technische Equipment vorbereitet haben. Im Einzelfall als gemeindeeigener Cateringdienst mit Servicekraft in der eigenen Person zu funktionieren und den Gemeindesaal dafür hergerichtet zu haben, Stühle und Tische rücken, Geschirr auftragen etc. Je nach Kirchenjahreszeit jetzt z.B. den Adventskranz oder Weihnachtbaum bestücken und aufstellen. Und wenn Handwerker kommen, die Alarmanlage rechtzeitig ausgeschaltet haben, wissen wo Heizung und Sicherungskasten ist. Und zwischendrin die entsprechenden Reinigungsarbeiten, die Grünpflege oder was immer verabredet ist erledigen. Eine besondere Herausforderung war die Zeit nach dem Brand in der Lutherkirche im Mai 2015, in der alles umorganisiert und die Restaurierung der Kirche verfolgt und begleitet werden musste.
Auf der Bühne stehen die anderen
Es ist ein Wirken im Hintergrund, das dafür sorgt, dass alles glatt läuft. Und wenn es glatt läuft, hat kaum jemand mitbekommen, was alles getan werden musste, damit es gelingt.
Ohne festen Stand ist alles nichts
Um all das zu bewältigen braucht man Füße, die auf festem Grund stehen. Das dazu benötigte Fundament wurde ihr in ihrem Glauben geschenkt. Und wie das aussieht hat Pfrn. Mara Schwäbe in ihrer Predigt mit dem Vers 11 aus 1. Kor. 3 auf den Punkt gebracht.: „Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Im Vertrauen auf ihn hat Frau Kilsch ihre Arbeit ausgeführt, im Wissen: „So ist nun weder der etwas, der pflanzt, noch der begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.“ Und das Gedeihen hat er ihr nach allem, was heute zu hören war, reichlich gegeben. Denn über den reinen Küsterinnendienst und der segensreichen Menschlichkeit, hat sie auch in der Jugendarbeit mitgewirkt und Kinderferienspiele im Team durchgeführt, Jugendfreizeiten mitbegleitet und das egal ob im Kochteam oder bei den vielfach erwähnten Wasserschlachten. Auch die Hin- und Her-Besuche der Partnergemeinde in Berlin Pankow waren feste Termine in der Arbeit.
So war es auch keine Überraschung, dass bei der Verabschiedung im Gottesdienst Frau Kilsch zusammen mit ihrem Lebenspartner Lothar Dickel, der sie bei vielen Aufgaben in der Gemeinde über viele Jahre tatkräftigt unterstützt und begleitet hat, eine ganze Reihe an guten Wünschen und Segensworten, vorgetragen von Vertreter*innen aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Gemeinde zugesprochen wurden. Das Pfr. i. R. Dieter Claßen, der erste Pfarrer unter den Anstellungsträgern, den Segen Gottes für die Begleitung in den Ruhestand zusprach, war sicherlich ein ganz berührender Augenblick, der vielleicht noch durch die Überraschung der „Himmelstürmer“ übertroffen wurde.
Aller Segen kommt von oben
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der „Himmelsstürmer“ hatten sich auf die Empore begeben und warfen im Anschluss an den Segen eine große Menge Luftballons auf die vor dem Altar Stehenden herab. An jedem hing aufgeschrieben auf kleinen Karten ein Gruß, ein Wunsch, ein Segen.
Das ein Gottesdienst mit Verabschiedung nicht nur schön, sondern auch besonders feierlich und fröhlich sein kann, dafür sorgten liturgisch u.a. Pfrn. Mara Schwäbe, Pfr. Wolfgang Kube, Gemeindepädagogin Nina Wetzstein, GemeindeSchwester Claudia Sauer und die Freiwillige im Kompassjahr Noelani Gasso Romero. Einen besonderen musikalischen Gruß überbrachte, mit eigens für den Gottesdienst eingeübten Liedern, der Projektchor unter der Leitung von Uwe Schiemann.
Schwein gehabt
Viel mehr Würdigung und Dankeschön sagen geht wohl kaum. Unterstrichen wurde das auch in den Grußworten beim anschließenden Empfang im Gemeindesaal im Lutherhaus, bei dem von der Gemeinde, aus den Gemeindegruppen, den Himmelstürmern, dem Weltladen, manch ein Geschenk überreicht wurde. Eines, dass hier stellvertretend für die vielen erwähnt sein soll ist das Gemälde eines lustigen rosa Schweins, das die Schweinesammlung der Küsterin erweitern wird. „Mit dir haben wir richtig Schwein gehabt“, waren die passenden Worte von Pfr. Claßen dazu.
Und aus den Worten, die Carsten Menzel stellvertretend für die Gemeinde formuliert hat, zum Abschluss zitiert:
„Ich habe in all den Jahren, in denen wir zusammengearbeitet haben, nicht einmal ! nicht einmal ein „Nein“ von Dir gehört – Du hast immer alles möglich gemacht, wenn ich ein Anliegen an Dich hatte! Danke dafür!!“
Text und Fotos: Bernhard Laß




